Zwei Wochen auf dem Toppsegelschoner „Thor Heyerdahl“
Dieser Artikel wurde auf der Schülerzeitungs-Website in Kooperation mit unserer Partner-Schülerzeitung „Glocke“ veröffentlicht.
Die „Glocke“ ist die Schülerzeitung am Johann-Phillip-von-Schönborn-Gymnasium in Münnerstadt. Seit dem Schülerzeitungsseminar in Kloster Banz veröffentlichen wir im Tausch Artikel. So bekommen wir auch einen Einblick in das Schulleben anderer Schulen.
Ich steige aus dem Bus aus und sehe mich im Hafen um. Vor mir liegt der Toppsegelschoner „Thor Heyerdahl“. Leider habe ich nicht lange Zeit, das Schiff näher zu bewundern, da ich mein Gepäck aus dem Chaos um den Bus herum fischen muss. Zwischen den Sachen von weiteren 33 Schülern ist das gar nicht so leicht! Mit meiner neugefundenen Freundin Kris stelle ich mich anschließend in die Schlange zum „Check-In“…
Als ich dann endlich fertig bin, nehme ich mein Gepäck und gehe an Bord. Ich freue mich riesig, vor allem weil meine Geschwister schon so viel von der Thor erzählt haben, da sie beide für ein halbes Jahr dort waren, und ich jetzt endlich selber fahren darf – wenn auch nur für zwei Wochen.
Ich teile mir meine Kammer mit drei Mädchen, mit denen ich mich sofort gut verstehe.
Als dann alle fertig sind, gibt es die erste Schiffsversammlung. Nachdem sich alle kurz vorgestellt haben, werden wir auch schon in Wachen eingeteilt. Auf der Thor Heyerdahl wird ein Vier-Wachsystem gefahren, das heißt, die komplette Besatzung wird in vier Gruppen von acht Schülern und zwei bis drei Crewmitgliedern aufgeteilt, die an bestimmten Stunden am Tag das Schiff fahren. Bei mir in Wache 2 war das von zwei bis fünf Uhr, sowohl tagsüber, als auch nachts.
Nach der Schiffsversammlung bekommen wir einen kurzen Snack in Form einer Wassermelone und dann die Sicherheitseinweisung: Siebenmal kurz und einmal lang ist das Internationale Not-Signal. Dann müssen alle in Wachen aufgestellt mit Schwimmwesten an Deck kommen.
An diesem Nachmittag haben wir nur kurz Freizeit, die die meisten nutzen, um sich auf dem Schiff umzuschauen oder neue Freundschaften zu schließen. Die Schiffsversammlungen kosten viel Zeit, außerdem treffen sich auch die Wachen intern, um sich kennen zu lernen, die Nachtwachen zu besprechen und ihre jeweilige Station anzuschauen. Unsere ist das Schonergaffelsegel, die Maß-Rah und das Großstängestagsegel.
Das meiste dazu lernen wir aber erst am nächsten Tag in unserer ersten Theoriestunde. Ebenfalls legen wir noch an diesem Tag ab, setzen aber noch keine Segel, sondern fahren per Motor zu unserem Ankerplatz.
Nachtwache um 1:45 Uhr
Eine leise Stimme weckt mich zu meiner Nachwache. Verschlafen richte ich mich in meinem Bett auf und signalisiere damit, dass ich wach bin. Auch meine Kammermitbewohnerin Lotti wird geweckt. Sie ist wie ich in Wache 2 und wird zusammen mit mir und unserem Wachführer zu unserer ersten Nachtwache gehen.
Wir ziehen uns also müde und möglichst leise um – schließlich wollen wir die anderen beiden nicht wecken.
Als ich pünktlich um zwei Uhr nachts an Deck trete, muss ich feststellen, dass ich die Temperatur definitiv unterschätzt habe. Es ist verdammt kalt. Nun also frierend gehe ich noch eine Treppe hoch aufs Achterdeck, wo unser Wachführer Johannes schon auf uns wartet. Er erklärt uns, was wir bei den Nachtwachen machen müssen. So gut es geht, versuche ich seinen Erklärungen zu folgen und nicht alles gleich wieder zu vergessen. Nachtwache gehen macht schon Spaß – wenn’s nur nicht so kalt wäre…
In den nächsten Tagen lernen wir, die Segel zu setzen, zu bergen und zu packen, Manöver zu fahren und uns im Bordalltag zurechtzufinden. Morgens eine Stunde putzen, dann Segel setzen und Anker hieven. Als nächstes Mittagessen und Fahrwache. Dazwischen gibt’s auch meistens „Kaffee und Kuchen“, obwohl es eigentlich eher „Keks und Kaffee“ heißen sollte, denn wirklichen Kuchen gibt es nur selten, zum Beispiel an Geburtstagen.
Um das Essen kümmert sich die Backschaft. Das sind jeweils vier Personen, die für einen halben Tag in der Kombüse stehen und für 50 Personen kochen und spülen. Backschaft ist etwas, das ich persönlich gerne mache. In der Kombüse läuft oft Musik und es herrscht häufig eine fröhliche, ausgelassene Stimmung, weshalb ich immer Spaß daran habe, in der Kombüse zu stehen und der Backschaft etwas unter die Arme zu greifen. Besonders an einem Tag helfe ich viel. Da wir bei Windstärke 7 bis zu zwei Meter hohe Wellen haben, liegen viele seekrank an Deck. Mir geht es aber noch so gut, dass ich in der Backschaft für eine seekranke Person einspringen kann.
Ein Highlight der Reise ist die Expedition mit Schlauchbooten
Nach einer guten Stunde Packen legen wir mit zwei Crewmitgliedern von der Thor ab. Unser erstes Ziel ist der Stand vor uns, an dem wir ein Segel bauen. Es funktioniert auch, bis wir unseren Kurs ändern und Gegenwind haben. Mit großer Mühe kommen wir trotzdem an unserem Nachtquartier an, wo wir dann ein Lager mit Lagerfeuer errichten und zu Abend essen. Wir sitzen im Anschluss noch etwas um das Feuer herum und gehen schließlich schlafen. Am nächsten Tag bauen wir dann wieder alles ab und paddeln zurück zur „Thor“.
Die letzten Tage vergehen leider wie im Flug, schon bald stehen wir wieder an der Pier in Kiel und lauschen dem Acht Glasen – dem Einläuten des Endes der Reise.
Wehmütig denke ich an die zwei Wochen zurück. Ich habe mich wie zu Hause gefühlt. Ich habe gelernt, wie ich im Team ein solches Schiff segeln kann. Ich kenne mich jetzt hier aus und möchte eigentlich gar nicht gehen.
Doch ich werde wiederkommen!
Fotos: Veronika Dürr
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