Interview mit dem langjährigen Vertrauenslehrer Herrn Günther, der in den Ruhestand geht

OWF-Legende, HSG-Urgestein, Institution: Herr Günther war 35 Jahre als Sport- und Religionslehrer an unserer Schule, 30 davon engagiert in der SMV tätig. Aus diesem Grund fand am SMV-Tag eine Ehrung für ihn mit Wortbeiträgen von aktuellen und ehemaligen Kollegen und den Schülersprechern unter viel Applaus statt. Wir durften in einem Interview einen Rückblick auf die vergangenen Jahre werfen.

Das Netz: Wie war das Gefühl, als Vertrauenslehrkraft gewählt worden zu sein? 

Es war eine große Ehre und ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut. Für diese Position gewählt zu werden hat mir gezeigt, dass die Schülerinnen und Schüler großes Vertrauen in mich haben und ich einen guten Draht zu ihnen habe.

Das Netz: Würden Sie mit ihrem heutigen Wissen und Ihrer heutigen Erfahrung nochmal Lehrer werden? 

Von meinen Erfahrungen her gerne immer wieder; Lehrkraft zu sein, ist ein toller Beruf. Ich bin mit der Einstellung in die Schule gekommen, dass ich Schülerinnen und Schüler als Menschen unterrichten möchte und nicht nur meine Fächer. Das sehe ich auch heute noch als wichtigen Punkt an. Trotzdem denke ich, dass, wenn neue Medien zu sehr in den Vordergrund rücken, die Lehrer eventuell damit ersetzbar werden könnten – dann habe ich Bedenken, dass die Lehrer-Schüler-Beziehung darunter leidet.

Das Netz: Letztlich ist das genau die Leitlinie, die das HSG prägt: „Wir unterrichten Menschen, nicht nur Fächer“.

Ich bin mit dieser Botschaft in die Schule gekommen. In meinem Referendariat habe ich gemerkt: Das ist toll! Einfach weil ich denke, dass ich immer versucht habe, den Menschen im Vordergrund zu sehen. Und das Großartige ist, dass mir genau das als Verbindungslehrer zurückgezahlt wurde: das Vertrauen.

Das Netz: Wie haben Sie die Digitalisierung im Laufe Ihrer Schulzeit wahrgenommen?

Früher gab es durchaus auch Veränderungen, jedoch habe ich das Gefühl, dass wir vor allem in den letzten Jahren einen Quantensprung in Sachen Digitalisierung gemacht haben. Heute machen wir, auch mit KI, Riesenschritte. Dadurch entstehen Herausforderungen, die wir früher nicht hatten.

Das Netz: Würden Sie Ihre Fächer wieder so wählen? 

Ich würde beide Fächer wieder so wählen. Religion war immer sehr erfüllend und ansprechend, da ich die Botschaft, die ich vermittelt habe, weiterhin gut und wichtig finde. Also der Mensch steht im Mittelpunkt, der Respekt vor dem Menschen und die Würde des Menschen. Allerdings habe ich einen sehr kritischen Blick auf die Institution „Kirche“. Wenn ich nochmal Religionslehrer werden würde, hätte ich, gerade in der Oberstufe, einen noch kritischeren Blick in den Diskussionen.

Sport ist einfach „brutal“ wichtig. Auch nicht so besonders sportliche Schülerinnen und Schüler habe ich immer versucht zu motivieren. Mit Konsequenz, mit Ausdauer und Freude – und ab und zu mal ein dummer Spruch. Da war es immer schön, Erfolge zu sehen! Ich möchte, dass ein Mensch sieht, dass er etwas erreichen kann. Und die Meisterschaften, auf denen ich mit meiner Leichtathletik-Mannschaft war, waren natürlich legendär. Dort konnten wir sogar Eliteschulen des Sports schlagen. (Jawoll!) Allerdings finde ich, dass solche Wettbewerbe im Schulsystem zu wenig honoriert werden. Man sollte dem Sport mehr Raum geben, damit die Schülerinnen und Schüler mehr Möglichkeiten haben, sich zu bewegen.

Das Netz: Was ist Ihre witzigste Erinnerung an Ihre Zeit als Lehrer? 

Da fällt mir eine Situation in OWF ein. Dort werden immer die Schülersprecher:innen gewählt und diese müssen immer so eine Art „Wahlkampfpräsentation“ halten. Ein Schüler hat bei seiner Präsentation gesagt, dass er, wenn er gewählt werden würde, Ledersessel und Sofas für die Schule anschaffen möchte, um in der Pause „endlich mal angenehm chillen“ zu können. Da musste ich sehr herzlich und laut lachen.

Das Netz: Wissen Sie, wie viele Schülerinnen und Schüler Sie in Ihrer Lehrerlaufbahn ungefähr hatten? 

Oh je, das ist schwierig zu sagen. Durch OWF, Studienfahrten, die Leichtathletik und so weiter hatte ich natürlich sehr viele Schüler. Ich schätze, so zwischen 5.000 bis 10.000?

Das Netz: Haben Sie lieber Unterstufe, Mittelstufe oder Oberstufe unterrichtet und warum? 

Jede Stufe hat etwas für sich. In der Unterstufe war das narrative Element eher im Vordergrund, es wurden viele Fragen gestellt. Wenn man in der Mittelstufe unterrichtet, muss man schauen, dass alles einigermaßen diszipliniert abläuft. Die Oberstufe ist mehr auf Augenhöhe. Da habe ich vor allem die Diskussionen in Religion sehr gemocht. Dort konnte ich auch durch Freiheiten im Unterricht auf ganz neue Themen kommen, die mich auch nach der Stunde noch bewegt haben. Mich freut es immer, wenn ehemalige Schülerinnen und Schüler mir berichten, dass sie im Studium auf meinen Unterricht zurückgreifen konnten.

Das Netz: Wenn Sie so viele Klausuren über all die Jahre geschrieben haben, sind Ihnen dann überhaupt noch neue Fragen eingefallen? 

Ich habe wirklich immer eine neue Klausur erstellt, allein schon, weil ich ja auch viele Geschwisterkinder unterrichtet habe. Das war zwar nicht immer einfach, aber schlussendlich doch machbar.

Das Netz: Wie lange haben Sie ungefähr für eine Oberstufenklausur zum Korrigieren gebraucht? 

Das kam natürlich immer auf die Klausur und den Schüler an, aber ich schätze im Durchschnitt so circa eine Stunde. Bei sehr guten Schülerinnen und Schülern weniger, weil ich da einfach nur abhaken musste. Das Fach Religion bietet allerdings auch eine große Bandbreite und viel Freiraum, manchmal kamen da auch Antworten, die ich so gar nicht erwartet hatte, aber nach längerem Nachdenken trotzdem gut gepasst haben, das gab dann natürlich auch Punkte. Aber sowas kostet natürlich auch wieder Zeit. Trotzdem habe ich in 35 Jahren keine Klausur zu spät rausgegeben.

Das Netz: Was ist das Erste, was Sie machen, wenn Sie im Ruhestand sind? 

Selbstbestimmt leben, keine Pläne haben, Wünsche umsetzen. Ich war jetzt 45 Jahre immer verplant, jetzt möchte ich Zeit haben. Ich möchte Freundschaften pflegen und aufbauen, Sport vertiefen, mir Zeit fürs Musikhören und Bücherlesen nehmen, viel reisen, neue Erfahrungen machen. Gerne möchte ich Neugriechisch vertiefen und eventuell Französisch lernen. Denn ich bin der Meinung, ein selbstbestimmtes Leben ist ein glückliches Leben.

Ich gehe aber auch mit Wehmut. Ich hatte immer ein offenes Herz und habe gerne mit euch gearbeitet. Und das nicht, weil ich es musste, sondern weil ich es wollte. Und das ist ein Zeichen, dass ich den richtigen Beruf ergriffen habe. Es ist schön, dass man das nach 35 Jahren sagen kann. Neben dem weinenden Auge gehe ich aber auch mit einem lachenden Auge, weil vieles Neues auf mich wartet.

Die Schulfamilie schaut mit Wehmut auf die Jahre zurück: Herr Günther im Sport- und Religionsunterricht, in OWF, dem Skikurs, der SMV und vielen weiteren Aktionen… Er wird im HSG fehlen.

Wir bedanken uns für das Interview und wünschen Herrn Günther einen schönen Ruhestand!

Foto: Clara Stegmann

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