Unterricht während der Corona-Pandemie aus Sicht einer Schülerin der Mittelstufe

Am 13. März 2020 wurde es offiziell von der Bayerischen Staatsregierung verkündet: Dem Präsenzunterricht, der einzige Form des Lehrens, die bis dahin den meisten Schulen und auch Lehrern bekannt war, war nun ein Ende gesetzt. Mir, die zu dem Zeitpunkt bereits eine Woche lang mit Grippe – zum Glück nicht Corona – zu Hause lag, wurde die frohe Kunde von meinen Eltern überbracht, die von Anfang an einen sorgenvollen Blick im Gesicht stehen hatten. Wie mir später mitgeteilt wurde, durften meine beschulten Klassenkameraden im Chemieunterricht der ersten Stunde die Pressekonferenz live mitverfolgen, die Begeisterung nach der Verkündung war selbstverständlich groß.  

Was hätten wir denn denken sollen? Alles, was wir zu hören bekommen haben, war „Kein Präsenzunterricht“, woraufhin 70 Prozent der Schüler auf Durchzug gestellt und sich den entspanntesten Frühling und Sommer ihrer Schulzeit ausgemalt haben. Wenn wir doch nur gewusst hätten, welches Chaos von Lehrmethoden danach erst einmal auf uns niederbrechen würde…  

Alles begann mit „Mebis“…

Alles begann mit dem berüchtigten bayerischen Online-Bildungsprogramm „Mebis“ (wer sich einen Spaß erlauben möchte, der schaut mal auf die Wikipediaseite von Mebis unter „Ereignisse“, das fasst eigentlich alles, was man darüber sagen könnte, zusammen). Die Passwörter hatten wir ja alle, zumindest irgendwo, also begann die Suche.  

Ich persönlich fand meine Anmeldedaten auf einem verschwommenen Bild in einem alten Chatverlauf mit einer Freundin, da ich scheinbar krank war, als sie ausgeteilt wurden. Ein Hoch auf meine Unfähigkeit, Chatverläufe zu löschen! Man weiß ja nie, wofür man eine Reihe von Nummern und Buchstaben auf einem Blatt Papier noch brauchen könnte, wie man sieht. 

Am darauffolgenden Montag, dem 16., saßen mein Bruder und ich nebeneinander am Esstisch, beide mehr oder weniger ratlos, und versuchten uns bei dem vermaledeiten Internetportal anzumelden. Doch alles, was wir oder unsere Klassenkameraden zu sehen bekamen, war die Fehlermeldung „Kurzzeitige Überlastung – bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal“. Bald ging das Gerücht rum, manche Eltern würden sich spät in der Nacht, manche zu Unzeiten nach Mitternacht, einloggen, um die Dateien für ihre Kinder herunterzuladen. Doch ob man nun so hineinkam oder doch einen seltenen Zeitslot tagsüber ergatterte – an viel Nützliches kam man nie wirklich heran. Also wurde das getan, was man finden konnte, und ansonsten das schöne schulfreie Leben genossen. Wer konnte es uns denn auch verdenken?

Das Elternportal und die „Homeworker“-App

Prompt reagierte die Schule damit, unsere Eltern hineinzuziehen. Ich habe das Glück, in einem sehr technikaffinen Haushalt zu leben, aber selbst meinem Vater fielen die Haare aus, als die Nutzung des von ihm eh schon skeptisch betrachteten Elternportals nun zum täglichen Ritual werden sollte. In Ermangelung von Alternativen druckte er uns also Arbeitsblätter aus, leitete E-Mails weiter und gab sein Bestes, uns mit Lernstoff zu versorgen. Währenddessen benutzten meine beiden Eltern in ihren Arbeitsmeetings Microsoft Teams, mussten aber hilflos zuschauen, wie wir Schüler nun mit der App “Homeworker” abgespeist wurden. 

Meine Klasse kam damit im Großen und Ganzen gut klar, auch wenn ich mir sicher bin, dass, solange man nicht einen sehr großen Wissensdurst hatte, einige der eingestellten Aufgaben trotz Abgabepflicht unerledigt blieben.  Ich, für meinen Teil, war wirklich sehr zufrieden mit dieser Variante des Unterrichts. In Fächern, die mir leichtfallen, wie zum Beispiel Englisch, konnte ich den gesamten Wochenplan in der ersten Stunde erledigen, bei anderen prokrastinierte ich bis zum Ende der Woche. Aber es lief gut soweit! Die Lehrer gaben ihr Bestes, die meisten Schüler nicht, aber zumindest ich versuchte es.  

So ging es einige Wochen voran, und obwohl ich selbstverständlich mitbekam, dass meine Freunde und Klassenkameraden ihre Arbeiten mehr schlecht als recht erledigten und noch viel unzuverlässiger abgaben, soweit das überhaupt gewünscht war, war ich in dieser Phase zufriedener als in der folgenden, in der Videokonferenzen entdeckt wurden.  

Nicht aber, wie man denken könnte, Microsoft Teams (was nur die Oberstufe von Anfang an benutzen “durfte”), sondern diverse Videokonferenzanbieter, die grauenhaft zu bedienen waren, falls sie überhaupt funktionierten. Aber das war nicht das Schlimmste, schließlich mussten wir uns alle spätestens einige Wochen später an Videokonferenzen gewöhnen, ob wir wollten oder nicht. 

Das Schlimmste war, dass viele Lehrer, die uns zu regelmäßigen langen Videoanrufen einluden, häufig trotzdem noch sehr zeitaufwendige Arbeitsaufträge aufgaben. Es war einfach schlechte Planung, die im Endeffekt dazu führte, dass Schüler Überstunden machen mussten, was wirklich nur die wenigsten einsahen. 

Der lila Retter in der Not

Doch nun, nach langer Zeit des Wartens, eilte der lila Retter in der Not heran: Microsoft Teams. 

Mein Vater war sehr aufgeregt, seinen beiden Kindern nun auch endlich das “bessere” Programm zu installieren, sodass ich mir eines Abends prompt eine komplette Führung durch Teams sowie durch MS Outlook, Excel und diverse andere Microsoft-Programme geben durfte. Nachdem wir mit der Enttäuschung klargekommen waren, dass mein Teams-Account wohl scheinbar nur begrenzt war und ich mich nicht mit Freunden in ganz Deutschland zusammenschalten konnte, war dann auch diese technische Hürde gemeistert und der nächste Schritt des digitalen Unterrichts konnte kommen. 

Ich war absolut begeistert von Teams. Ich wusste, es würde funktionieren, und ich wusste, dass falls ich Probleme haben würde, mir meine Eltern helfen könnten. Umso enttäuschter war ich, als sich meine Klasse fast einheitlich dafür aussprach, lieber Homeworker als MS Teams zu benutzen, schließlich habe man sich ja daran gewöhnt. 

Unsere Lehrer gaben wieder ihr Bestes, unseren Ansprüchen gerecht zu werden, auch im darauffolgenden Wechselunterricht. Ich muss zugeben, das war wahrscheinlich mein liebster Teil des Unterrichts während der Corona-Pandemie. Die Klassen waren klein, der Unterricht zu Hause nach einem Wochenplan und ohne Videozuschaltung, es wurden keine Noten mehr gemacht. Es war eine friedliche Schulzeit, in der die meisten Schüler und Lehrer einfach nur noch das Zusammensein genießen wollten. 

Alle waren sich sicher, dass das Schuljahr 2019/2020 eine einmalige Sache war, schließlich könne man nicht noch ein Jahr so verschwenden, nicht noch einem Abitur- und Abschlussjahrgang das Leben schwer machen. Oh, wie falsch man lag…

Die ständige Furcht vor der Inzidenz 35

Das Schuljahr 2020/2021 begann fast normal wie jedes andere, jedoch mit der ständigen Furcht vor der Inzidenz 35, denn ab da mussten wieder Masken im Unterricht getragen werden. Ich erinnere mich noch an das Frühjahr 2021, als sich die Aschaffenburger Landkreis-Inzidenz über 100 bewegte, wie groß im Herbst die Panik vor dieser 35 gewesen war. Es schien fast schon komödiantisch, schließlich hatten wir es jetzt mit Zahlen zu tun, die dreimal so hoch waren. 

Doch selbstverständlich kam die 35, und auch die 50 wurde in den letzten Wochen vor Weihnachten erreicht. Also begab sich die Schule bis auf einige Ausnahmen für eineinhalb Wochen in den berüchtigten Hybridunterricht. Nun saß die Hälfte der Klasse im Klassenraum und die andere Hälfte zuhause vor ihren Bildschirmen, wurde jedoch zugeschaltet.  

Meiner Erfahrung nach können Sie fragen, welchen Schüler auch immer Sie wollen, das ist das Schlimmste, was einer Schule passieren kann. Manche Lehrer haben die Zuhause-Gruppe gar nicht erst zugeschaltet, andere haben sie dazugeholt, aber ignoriert, die meisten waren allerdings (ZU RECHT, wie hier anzumerken ist!) mit gleich zwei Gruppen überfordert. Aber nicht nur die Lehrer, auch die Schüler wussten nicht damit umzugehen. 

Online-Unterricht für alle

Zum Glück war diese Zeit begrenzt, denn nach den wohlverdienten Weihnachtsferien ging es in den Online-Unterricht, dieses Mal für alle. 

Die Lehrer waren motiviert, der Satz, dass ja noch mündliche Noten gemacht werden könnten, hallte in den Ohren der Schüler. Dieses Druckmittel wurde prompt ausgenutzt und in gefühlt jedem Fach, in dem es nur irgendwie möglich war, wurden Referate angesagt. Doch trotz der stetigen Bemühung der Lehrer, die Schüler interessiert zu halten, begaben sich die meisten in katatonische Zustände, aus welchen sie nur bei der Anwesenheitskontrolle zu Beginn jeder Unterrichtsstunde erwachten. 

Falls ich es noch nicht deutlich genug gemacht haben sollte: Ich bin ein ziemlicher Nerd, genau wie viele meiner Freunde, also haben wir in manchen Fächern den Online-Unterricht ziemlich übernommen. Damit meine ich nicht, dass wir viel gemacht hätten, ich meine, dass die anderen so wenig gemacht haben, dass selbst das Vorlesen oder gar Machen der Hausaufgabe als lobenswerte Tat angesehen wurde. Also schlugen wir uns so durch. 

Irgendwann im Mai wurde dann auch endlich angesagt, dass keine großen Leistungsnachweise mehr geschrieben würden, was für die breite Schülerschaft quasi Ferien bedeutete. 

Normaler Schulalltag nach Pfingsten

Die Freude war allerdings bei vielen mindestens genauso groß, als angekündigt wurde, dass es nach den Pfingstferien nicht wieder in den Hybridunterricht gehen solle, sondern der normale Schulalltag zurückkehren würde. Dementsprechend kamen wir alle wieder in den Unterricht und waren zwar froh, all unsere Freunde wiederzusehen, doch diese Freude wurde schnell von der Ankündigung gewisser Leistungsstandstests zerstört. 
Schule nahm also ihren Lauf, auch die Tests wurden zum Missvergnügen aller geschrieben, das Feedback tat natürlich mehr weh als gewollt, aber die Ferienkurse waren ja zum Glück nicht verpflichtend (ich kenne niemanden, der an ihnen teilgenommen hat). 

Und was lernen wir jetzt daraus? Eineinhalb Jahre wurden wir Schüler nur hin- und hergeschubst, von einer Plattform zur nächsten und wieder zurück. Schulen als Letztes zu und als Erstes wieder auf? Nix da gab’s. Wir, die wir uns immer von Erwachsenen, die denken, sie wüssten, was in unserem Leben abgeht, sagen lassen müssen, dass das die beste Zeit unseres Lebens sei, waren eineinhalb Schuljahre immer wieder eingesperrt. Lange Zeit weg von unseren Freunden, von unseren Hobbys, von Möglichkeiten, neue Menschen kennen zu lernen. Wie sollen wir so unsere ach so tolle Jugend ausleben können? Natürlich, nicht jeder ist so extrovertiert und möchte ständig auf dem Weg in Clubs oder Kinos oder sonst wo sein, aber ab und zu kann auch das nicht schaden. 

Die Zahlen für psychische Störungen und Belastungen bei Schulkindern ist so groß wie nie, und trotzdem saßen wir monatelang vor unseren Bildschirmen, die uns vor zwei Jahren noch als der Teufel in Form von Schaltkreisen vorgehalten wurden, und versuchten, einem Unterricht zu folgen, in den zwar viel Mühe und Aufwand geflossen ist, der aber trotzdem nie auf das Niveau von Präsenzunterricht kommen kann. 

Es klingt hier vielleicht, als gehe dieser Text gegen die Lehrer, was er aber absolut nicht tut. Falls sich wirklich auch nur ein Schüler die Mühe macht und diesen ellenlangen Text über eine Zeit, die wir alle am liebsten einfach verdrängen wollen, liest, dann möchte ich, dass du jetzt mal genau drüber nachdenkst, was all die Lehrer sich in den letzten zwei Jahren antun mussten. Die hatten’s keinen Deut besser als wir. Die haben Unterricht vorbereitet, Arbeitsblätter eingescannt und versucht, ein paar lausige Teenager nicht nur zu unterrichten, sondern sie auch noch vom Handy und vom Tablet, das ja jetzt jederzeit nebendran bereit lag, abzuhalten. Alles, während wir uns über das ein oder andere Referat oder über zu viele Hausaufgaben beschwert haben. 

Nicht nur wir Schüler haben eine Entschuldigung der Regierung verdient, sondern auch die Lehrer. Und wenn wir ehrlich sind, sollten wir uns bei den Letzteren vielleicht auch etwas öfter entschuldigen; wir sind nicht halb so lieb, wie wir immer denken. 

Auf ein besseres.

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